Perspektive Hamburg - Projekt
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Eine städtische Intervention

Was bringt uns dazu Phantasien zu entwickeln, wer wir in der Zukunft sein könnten? Wie kommt es, dass wir uns Karrieren zutrauen? Warum haben wir vor anderen Herausforderungen Angst? Warum glauben wir, dass gerade dieser eine Beruf für uns richtig ist? Warum kommen wir nicht auf andere Ideen? Warum glauben Jugendliche, dass sie niemand braucht?

„Perspektive Hamburg“ lässt diejenigen zu Wort kommen, über die man sonst nur spricht: 40 Hamburger Kinder überwiegend im Alter zwischen acht und zehn Jahren werden am 6. Mai auf der Bühne der Kampnagel Fabrik stehen. Ihr Adressat sind die Erwachsenen, die normalerweise für sie entscheiden: Welche Schule sie besuchen, welchen Sport sie ausüben und welche Sprachen sie lernen. Ihnen erzählen sie, ihre Sicht auf die Zukunft.

Das besondere dabei: Die Hälfte dieser Kinder kommt aus dem als gut bürgerlich bekannten Stadtteil Eppendorf, die andere Hälfte aus dem als Problembezirk stigmatisierten Jenfeld.
Was trennt Grundschüler aus Eppendorf von denen aus Jenfeld, was haben sie gemeinsam? Haben Kinder in diesem Alter nicht genau dieselben Wünsche? Wer wird es später schaffen, seine Träume zu leben und vor allem: warum? Sind die Weichen für ein Kind im Alter von zehn Jahren schon unwiderruflich gestellt oder stehen ihm noch alle Möglichkeiten offen? Werden sie zu denjenigen gehören, die sich sicher sein können, dass ihre Stimme gehört wird? Oder zu denjenigen, die das Gefühl nicht loswerden, dass es auf sie nicht mehr ankommt? Stimmen die Klischees über ‚Problembezirk’ und ‚Elite-Stadtteil’ wirklich? Gibt es noch die traditionelle Spaltung von „oben“ und „unten“? Oder haben inzwischen nicht viele quer durch die Gesellschaft Angst vor dem sozialen Ausgeschlossensein? Werden Chancen und Risiken von der Herkunft, oder der eigenen Haltung bestimmt?
Dieses Projekt konfrontiert die Zuschauer nicht nur mit einer kommenden Generation, die ihre Chancen einfordert, sondern auch mit den sozialen Gegensätzen, die sie spalten wird.

Doch „Perspektive Hamburg“ holt nicht nur die Wirklichkeit auf die Bühne, sonder verlagert die Bühne auch in die Stadt und ins Internet.
Seit fünf Monaten begleiten wir in Zusammenarbeit mit Grundschulen aus beiden Stadtteilen und Jenfelder Jugendkultureinrichtungen die Kinder in ihrem Alltag.
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Wir lernen die Familien kennen, proben in Schul-Aulas, schauen in den Kinderzimmer unters Bett und sitzen mit am Abendsbrottisch. Unsere Website ist die Eingangstür in die Lebenswelten der Kinder rechts- und linksseitig  der Alster. Hier hat jedes Kind ein eigenes Videoporträt, gedreht bei ihm zu Hause oder auf dem Lieblingsspielplatz. Sie haben uns ihre Lieblingskuscheltiere, ihre Zeugnisse, ihre Urlaubsbilder und ihre Spielzeug gezeigt. Ihre Eltern haben uns Rede und Antwort gestanden über die eigenen Hintergründe, ihre Berufe, ihre Erziehungsgrundsätze und die Zukunftswünsche für ihre Kinder. Ein vielfältiges Porträt ist entstanden mit Geschichten, die auf der Bühne so vielleicht gar nicht zu erzählen wären.

„Perspektive Hamburg“ ist eine Intervention und eine Infragestellung des Status Quo. Das Projekt provoziert Begegnungen, die außerhalb des Theaters, sehr unwahrscheinlich wären. Welche Jenfelder Eltern würden gut eine Stunde Busfahrt auf sich nehmen, um zu Kampnagel ins Theater zu kommen, wenn nicht ihre eigenen Kinder auf der Bühne stehen würden? Welche Eppendorfer Eltern haben schon einmal zehn Minuten einem Jenfelder  Kind zugehört, jenseits der Abendnachrichten?

Für die Kinder bedeutet auf der Bühne stehen ein Spiel, das sie ja bekanntlich viel besser beherrschen als die Erwachsenenwelt. Doch wir ermutigen sie zu mehr: Sie sollen lernen sich selbstbewusst über sich selbst zu äußern, sich für die eigenen Ängste nicht zu schämen,  und eine Selbstwahrnehmung zu entwickeln, wo sie stehen. Sie und ihr Alltag sind im Fokus der Öffentlichkeit. Das Normale wird zum Besonderen. Sie erzählen uns wie viel Phantasie, Durchsetzungskraft und auch Flexibilität man für die Möglichkeiten der eigenen Biografie aufbringen muss, um nicht zuresignieren. Die Theaterbühne ist der öffentliche Raum der ihnen diese Äußerung ermöglicht und sie sich selbst als aktiven Teil unserer Gesellschaft wahrnehmen lässt. Die Erfahrung ernst genommen und beachtet zu werden, wird vielleicht ihren eigenen Weg verändern.